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Corine Mauch erhält Post von der Türkei

«Volksverhetzung» und «Propaganda für eine illegale Organisation» soll Asli Erdogan betrieben haben. Das zumindest werfen die türkischen Behörden der seit Mitte August inhaftierten Schriftstellerin wegen ihrer Arbeit für die prokurdische Tageszeitung «Özgur Gündem» vor.

Die Festnahme sorgte international für Empörung – auch in Zürich, wo Erdogan von Dezember 2011 bis Juni 2012 als Writer in Residence lebte. Der Stadtrat stellte sich hinter die 48—jährige Schriftstellerin. Zuvor hatten sich auch andere Städte für sie starkgemacht. In einem Schreiben an die Repräsentantin des türkischen Generalkonsulats drückte der Zürcher Stadtrat seine Besorgnis über die Festnahme aus. Stadtpräsidentin Corine Mauch äusserte sich Ende August im Parlament zu der Angelegenheit: Die Schriftstellerin sei engagiert und weltoffen. Sie habe zu einem positiven Austausch zwischen Schweizern und Türken beigetragen. «Der Stadtrat hat deshalb Informationen über die Inhaftierung und den Gesundheitszustand Erdogans verlangt.»


Auskünfte erhalten»

Nun hat das türkische Konsulat geantwortet. In dem Schreiben, das am Montag beim Präsidialdepartement eingegangen ist, habe das Generalkonsulat versichert, dass Erdogan alle rechtsstaatlichen Mittel zur Verfügung stünden und auf ihre Bedürfnisse bei den Haftbedingungen eingegangen werde, sagt Nat Bächtold, Sprecher des Präsidialdepartements, auf Anfrage. «Die gewünschten Auskünfte zur Inhaftierung und zum Gesundheitszustand von Frau Erdogan haben wir erhalten.» Konkretere Angaben wollte er nicht machen. Die Unterstützer Erdogans kritisieren die Antwort der Türkei. Es sei eine Farce, im Zusammenhang mit der Türkei von Rechtsstaatlichkeit zu sprechen, heisst es beim Autorenverband Deutschschweizer PEN—Zentrum, der sich für die Freilassung der Schriftstellerin einsetzt. «Seit dem Putschversuch herrscht ein Ausnahmezustand.» Man dürfe der Antwort des türkischen Generalkonsulats deshalb keinen grossen Glauben schenken. Mit einem schnellen Ende des Verfahrens gegen die Autorin rechnet niemand.

Erdogan selbst nahm in Interviews zu ihrer Situation Stellung. Ihren Gesundheitszustand wollte sie aber nicht kommentieren, weil ihr sonst Sanktionen drohten. Ihre Verhaftung sei eine Demütigung. In einem dem Schweizer Fernsehen zugespielten Brief schilderte Erdogan die Umstände ihrer Festnahme in ihrer Istanbuler Wohnung und die gegen sie vorgebrachten Anklagepunkte. Sie sei wohl die Einzige, die versuche, den türkischen Staat allein durchs Schreiben zu zerstören, sagt die Schriftstellerin und fügt an, sie werde ohne jede gesetzliche Grundlage festgehalten. «Ich weiss mit Sicherheit, dass dies ein politischer Entscheid ist, und Hoffnung habe ich keine mehr.» Der Brief endet mit: «Bitte vergesst mich nicht. Und meine Bücher. Es sind meine Kinder.»

«Die Mittel sind beschränkt»

Die Inhaftierung der türkischen Schriftstellerin hatte auch im Gemeinderat zu reden gegeben. In einer gemeinsamen Erklärung hatten native Liste (AL)und Grüne den Stadtrat aufgefordert, bei der türkischen Regierung zu intervenieren und Erdogans Freilassung zu verlangen. Dieser kam diesem Begehren nach, was auch Karin Rykart, Gemeinderätin der Grünen, begrüsste. Es sei aber natürlich schwierig, Forderungen an die Türkei zu stellen. «Die Mittel sind beschränkt.» Wichtig sei, dass man die weitere Entwicklung genau beobachte. Dies zumindest betont auch der Stadtrat: «Die Stadt Zürich wird die Entwicklung in dieser Sache weiter verfolgen», sagt Sprecher Nat Bächtold.

Nicht nur Asli Erdogan, auch die Situation in der Türkei gibt in Zürich immer wieder zu reden. In einem Postulat etwa, das Ende Mai an den Stadtrat überwiesen worden war, forderten AL und SP den Aufbau einer Städtepartnerschaft mit Diyarbakir im Südosten der Türkei. Auf Vorschlag von Karin Rykart wurde die Städtepartnerschaft in einen sogenannten «Brückenschlag» abgewandelt. Der Schwerpunkt soll auf zivilgesellschaftlichem Austausch und Stärkung der demokratischen Strukturen liegen. Damit wolle man ein Zeichen setzen – auch in Krisenzeiten, erklärt Rykart. «Zürich sagt ja immer, es sei weltoffen. Hier kann die Stadt es unter Beweis stellen.»

http://www.nzz.ch/zuerich/aktuell/inhaftierte—autorin—asli—erdogan—corine—mauch—erhaelt—post—von—der—tuerkei—ld.117624

20.9.2016
Fabian Baumgartner


 

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